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Wie viele Kohlenhydrate dürfen sein?

Brot, Nudeln, Reis und Kartoffeln sind einerseits beliebt und werden andererseits aufgrund der enthaltenen Kohlenhydrate oft beschuldigt, dick und krank zu machen. Doch stimmt das? Wir geben einen Überblick zur Kohlenhydratzufuhr.

Kohlenhydrate zählen neben Fett, Eiweiß und Alkohol zu den energieliefernden Nährstoffen. Sie stecken in vielen Lebensmitteln, die tagtäglich am Speiseplan stehen, darunter Produkte aus Getreide wie Brot, Nudeln und Reis sowie Kartoffeln.

Wissenswert

Kohlenhydrate liefern wie Eiweiß 4 kcal pro Gramm. Das sind nur halb so viele Kalorien wie Fett (9 kcal) und weniger als Alkohol (7 kcal) [Elmadfa, 2019].

Keine fixe Menge an Kohlenhydraten empfohlen

Die Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, dass mehr als 50 % der Energiezufuhr über Kohlenhydrate gedeckt werden sollen [DGE, 2024]. Dieser Anteil basiert auf der evidenzbasierten Leitlinie „Kohlenhydratzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten“ aus dem Jahr 2011, seither gab es keine vergleichbare Publikation [DGE, 2011]. Die Datenlage stützt die abgeleitete Empfehlung jedoch nur bedingt. Es gibt keine durchgängigen eindeutigen Beweise, dass ein hoher Kohlenhydratanteil Erkrankungen vorbeugt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht in ihrer Leitlinie „Carbohydrate intake for adults and children“ daher von einem flexiblen Anteil von 40-70 % der Tagesenergiezufuhr aus [WHO, 2023].

Wissenswert

Für die Bewertung der wissenschaftlichen Aussagekraft (Evidenzklasse) richtete sich die DGE 2011 nach den bestehenden Kriterien des Europäischen Krebsforschungszentrums IARC und damit nach den Härtegraden „überzeugende", „wahrscheinliche", „mögliche" oder „unzureichende" Evidenz (Beweislage).

Bei Kohlenhydratzufuhr auf ausgewogene Ernährung achten

In Bezug auf Einfach-, Zweifach- oder Mehrfachzucker weist die DGE-Leitlinie darauf hin, dass es keinen Grund dafür gibt, einzelne Lebensmittel auszusparen: Für Fruchtzucker und Haushaltszucker sowie für den Konsum zuckergesüßter Getränke gibt es keine überzeugende Beweislage, dass sie Auslöser für Adipositas, Typ 2 Diabetes, Krebs und andere chronische Erkrankungen seien. Bei erhöhtem Konsum von zuckergesüßten Getränken nimmt bei Erwachsenen das Risiko jedoch „wahrscheinlich“ zu. Greifen Kinder und Jugendliche übermäßig zu zuckergesüßten Limonaden, werden sie „möglicherweise“ adipös. High-Consumer von zuckergesüßten Getränken entwickeln „wahrscheinlich“ Typ 2 Diabetes – egal ob jung oder alt [DGE, 2011].

Wissenswert

WHO, OECD und McKinsey Global Institute nennen eine Reduktion der Portionsgrößen als wichtigsten und kosteneffizientesten Hebel, um die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas zu reduzieren [WHO, 2004; OECD, 2019; McKinsey Global Institute, 2014]. Doch welche Portionsgrößen sind wofür geeignet und wie kann man sie einschätzen?

Süßes in kleinen Portionen genießen

In einem gemeinsamen Papier von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) aus dem Jahr 2018 schließen sich die drei Fachgesellschaften der Empfehlung der WHO aus dem Jahr 2015 an und sprechen sich für eine maximale Zufuhr freier Zucker von weniger als 10 % der Gesamtenergiezufuhr aus [Ernst et al., 2018]. Unter „freien Zucker“ fallen alle Zuckerarten, die Speisen und Getränken beigefügt werden oder die natürlich in Honig, Sirup sowie Fruchtsäften vorkommen. Für einen durchschnittlichen Erwachsenen entsprechen 10 % nicht mehr als 50 g Zucker pro Tag bei einer Kalorienzufuhr von 2.000 kcal.

Ballaststoffe wirken positiv

Ein weiterer interessanter Punkt, den bereits die DGE-Leitlinie aus 2011 klarstellt: Der Glykämische Index und die Glykämische Last scheinen nicht relevant für die Prävention von ernährungsassoziierten Krankheiten zu sein. Für die Ballaststoff- und Vollkornzufuhr werden die Ernährungsempfehlungen weitgehend bestätigt: Wer viel Vollkornprodukte isst, senkt sein Gesamt- und LDL-Cholesterin. Auch lösliche Ballaststoffe etwa aus Hülsenfrüchten und Obst, senken diese Blutfettwerte bei hohem Konsum. Gleichzeitig sinkt die HDL-Cholesterinkonzentration nur geringfügig. Mit wahrscheinlicher Evidenz senken eine hohe Ballaststoff- und Vollkornzufuhr das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und Bluthochdruck. Ballaststoffe aus Getreideprodukten beugen ebenfalls mit „wahrscheinlicher Evidenz" Darmkrebs vor [DGE, 2011]. Die Relevanz von Ballaststoffen bestätigt auch die WHO in ihrer Leitlinie [WHO, 2023]. Während die WHO jedoch eine tägliche Zufuhr von 25 g Ballaststoffen empfiehlt, liegt die DGE mit 30 g etwas höher [DGE, 2011; WHO 2023].

Wissenswert

Will man mehr Ballaststoffe essen, empfiehlt es sich, zu Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten sowie Produkten aus Vollkorn zu greifen (z. B. Brot, Reis, Nudeln, Getreideflocken). Beim Backen zu Hause bietet es sich an, ungefähr die Hälfte des weißen Mehls gegen Vollkornmehl auszutauschen. Leinsamen und Weizenkleie in Gemüsesuppen und Joghurts sind zusätzliche Ballaststoffquellen. Mehr dazu gibt es im Artikel „Ballaststoffe – darum sind sie wichtig“.

Fazit

Um Zivilisationskrankheiten einzudämmen, spielt das Essmuster eine größere Rolle als die Kohlenhydratzufuhr allein. Großes vorbeugendes Potenzial hat jedenfalls eine ausreichende Ballaststoffzufuhr. Für die Praxis heißt das: Ballaststoffreiche Kohlenhydratquellen wie Vollkornbrot und -nudeln sowie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte sollten auf dem Speiseplan überwiegen. Ab und zu können auch Süßigkeiten und gesüßte Getränke Teil einer ausgewogenen Ernährung sein. Dabei gilt es jedoch, auf die entsprechenden Portionsgrößen zu achten.

Literaturverzeichnis

Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Evidenzbasierte Leitlinie –Kohlenhydratzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten. Bonn (2011). https://www.dge.de/wissenschaft/dge-leitlinien/leitlinie-kohlenhydrate/ (Zugriff: 07.11.2024).

Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Kohlenhydrate. https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/kohlenhydrate/ (Zugriff: 07.11.2024).

Elmadfa I: Ernährungslehre. 4. Auflage, Stuttgart, Ulmer Verlag (2019).

Ernst JB, et al.: Quantitative Empfehlung zur Zuckerzufuhr in Deutschland. Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG), Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) (Hrsg.), Bonn (2018).

McKinsey Global Institute: Overcoming Obesity: An initial economic analysis (2014). (Zugriff: 07.11.2024).

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): The Heavy Burden of Obesity: The Economics of Prevention. OECD Health Policy Studies, OECD Publishing, Paris (2019). https://www.oecd.org/en/publications/the-heavy-burden-of-obesity_67450d67-en.html (Zugriff: 07.11.2024).

Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES): WHO Zucker Empfehlungen (Stand: 10.10.2023). https://www.ages.at/mensch/ernaehrung-lebensmittel/ernaehrungsempfehlungen/who-zucker-empfehlungen#:~:text=WHO%20Zucker%20Empfehlungen%3A%20max.,unter%2010%20Energieprozent%20zu%20reduzieren (Zugriff: 07.11.2024).

World Health Organization (WHO): Carbohydrate Intake for Adults and Children: WHO Guideline (2023). https://www.who.int/publications/i/item/9789240073593 (Zugriff: 07.11.2024).

World Health Organization (WHO): Global Strategy on Diet, Physical Activity and Health (2004). https://www.who.int/publications/i/item/9241592222 (Zugriff: 07.11.2024).