17.09.2020

„Downsize me“: Kleinere Portionen sind wesentlicher Hebel gegen Übergewicht

Trendumkehr bei Portionsgrößen aus gesundheitspolitischer Sicht dringend erforderlich.

Jeder Mensch trifft täglich eine Vielzahl von Ernährungsentscheidungen – den Großteil unbewusst. Das birgt Risiken in sich, denn zahlreiche Faktoren beeinflussen, was und wieviel wir essen. So verleiten große Portionen – ob zuhause oder in der Gastronomie – zum Über-Essen, was in der Folge zu Übergewicht und Adipositas führen kann. Kleinere Portionen dagegen unterstützen dabei, die Zufuhr an Kalorien unter Kontrolle zu halten und über den Effekt der sozialen Norm auch nachhaltig zu wirken. Doch die richtige Portionierung überfordert viele Menschen. Das forum. ernährung heute (f.eh) diskutiert daher am 1. und 2. Oktober 2020 mit Experten bei einem Symposium zum Thema „Einfach zu komplex?“ über die hohe Komplexität bei Genuss, Gesundheit und Nachhaltigkeit sowie mögliche Lösungen zu deren Reduktion. Dabei wird unter anderem beleuchtet, warum wir häufig einfache Antworten bevorzugen und welche Risiken das mit sich bringt.

Eine Portion ist jene Menge an Nahrungsmitteln oder Getränken, die wir bei einer Gelegenheit auf eigene Entscheidung zu uns nehmen. Dabei wurden vor allem in der Gastronomie die Portionen in den vergangenen Jahrzehnten größer, aber auch im Handel hat der Anteil zugenommen. In den USA etwa hat sich das Angebot an größeren Portionen in den Supermärkten seit 1970 verzehnfacht. Zudem ist die Oberfläche der Speiseteller seit 1960 um ein Drittel größer geworden, auch die Portionsangaben in Rezeptbüchern sind gestiegen. „Heikel an größeren Portionen ist, dass Konsumenten sie relativ schnell als adäquate Verzehrmenge wahrnehmen. Dadurch kommt es zu einer vermehrten Aufnahme von Nahrungsmitteln und damit einhergehend zu einer höheren Kalorienaufnahme“, so Marlies Gruber, Geschäftsführerin des f.eh.

Portionsgrößen beeinflussen Ernährungsverhalten

Diesen Effekt beschreibt der sogenannte Portionsgrößeneffekt: Wir essen und trinken bei größeren Portionen schneller und konsumieren dadurch mehr – und zwar unabhängig von Alter, soziodemografischen Merkmalen oder Informationsgrad und Interesse an gesunder Ernährungsweise. Eine Meta-Analyse aus 2014 zeigt zudem, dass die Verdoppelung der Portionsgröße zu einer um 35 Prozent höheren Verzehrmenge führt. Eine weitere Studie weist ein Kalorienplus von 42 Prozent aus. Dadurch steigt das Risiko von Übergewicht und Adipositas mit ihren Begleiterscheinungen einer höheren sozialen, psychischen und körperlichen Belastung, die allesamt auch dem Gesundheitssystem schaden.

Die Verzehrmenge hängt aber auch von weiteren Faktoren ab, etwa der verfügbare Zeit, der kulinarischen Erfahrung sowie Teller- und Besteckgröße. So wirkt sich ein größerer Löffel beim Eisessen im Schnitt mit einem Mengenplus von 14,5 Prozent aus. „Das Problem ist, dass sich die Größe der Portionen nicht nur auf die aktuelle Kalorienaufnahme auswirkt, sondern dass sie mittelfristig auch einen Normierungseffekt ausübt. Dabei erfolgt die Rekalibrierung auf die neue normale Portionsgröße relativ rasch. Das funktioniert freilich in beide Richtungen. Um beim komplexen Geschehen der Entwicklung von Adipositas wirksam gegenzusteuern, ist es höchst an der Zeit, die soziale Norm wieder Richtung kleinere Portionsgrößen zu verschieben“, so Gruber.

Große Portionen als wachsendes Problem

Im Kampf gegen Übergewicht und Adipositas sehen zahlreiche Institutionen die Portionskontrolle daher als eine der wirksamsten Maßnahmen:

-  Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) streicht in ihrem aktuellen Adipositas-Bericht die Bedeutung von kleineren Portionsgrößen hervor.
-  Die WHO-Regionalbüros für Europa empfehlen, bei der Zubereitung von Speisen zuhause auf die Portionsgrößen zu achten und sie gegebenenfalls zu verkleinern.
-  Das McKinsey Global Institute erachtet die Portionskontrolle als die effektivste Maßnahme zur Bekämpfung von Übergewicht und Adipositas und als weitaus wirksamer als spezifische Steuern, Werbemaßnahmen oder eine erweiterte Lebensmittelkennzeichnung.

„Die wissenschaftliche Evidenz für die Hebelwirkung von kleineren Portionsgrößen ist überzeugend. Für einen Weg zur Trendumkehr sind viele Player in der Ernährungswirtschaft von Produzenten bis zu Distributoren gefordert, seien es die Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung, Betreiber von Schulbuffets, der Handel und die Konsumenten zuhause“, so Gruber.

Portionsgrößen richtig einschätzen

Aufgrund der Corona-Pandemie kommt es zudem zu zusätzlichen Herausforderungen, wie Gruber betont: „Durch das Arbeiten im Homeoffice sinkt bei vielen Menschen der kalorische Energiebedarf. Bleiben die Portionen auf demselben Niveau, könnte der Anteil an übergewichtigen Menschen daher steigen.“ Hinzu kommt, dass ein verlässliches Maß für die optimale Portion schwierig ist, da jeder Mensch unterschiedlich groß und schwer ist.

Um Portionen richtig abzuschätzen und damit in der Regel zu reduzieren, gibt es jedoch ein paar Daumenregeln: Als Orientierung für die Portionsgröße bietet sich grundsätzlich die Hand an, denn sie wächst proportional mit Größe und Gewicht mit. Dabei empfehlen Experten als eine Portion einen Daumen Butter, einen Zeigefinger Käse oder eine Faust an Obst und Gemüse. Beim Brot bietet sich eine Scheibe in der Größe der Handfläche an, ebenso bei Fisch und Fleisch. Nüsse, Trockenfrüchte und Süßigkeiten sowie Beilagen sollten in etwa eine Handvoll umfassen. Gruber empfiehlt zudem, kleine Teller und kleines Besteck zu verwenden, nicht aus Boxen zu essen, Großpackungen in kleinere Portionen aufzuteilen sowie Messbecher und Waagen zu nützen.

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